Jede Route verlangt Respekt
Den Grad der Herausforderung kannst Du über die Wahl Deiner Aufstiegsroute festlegen. Wobei ab den verschiedenen Hochlagern, auf etwa 4.600 Meter die Belastung des Gipfelsturms auf allen Routen vergleichbar hoch ist. Je nach Fitness und dem eigenen Anspruch an Komfort (nicht jeder möchte in Zelten schlafen), besteht aktuell die Möglichkeit aus sechs verschiedenen Aufstiegsrouten zu wählen. Die vom Westen kommenden Lemosho und Shira Routen treffen schon nach wenigen Kilometern aufeinander, werden daher im Folgenden nicht gesondert beschrieben.
»Egal wie Du aufsteigst, Du musst dem Berg immer den nötigen Respekt zollen«
Mit Ausnahme der Marangu (Coca-Cola) Route sind die anderen vier Routen reine Aufstiegsrouten. Der Abstieg erfolgt zentral nach Süden, über die gut ausgebaute Mweka Route. Dies verhindert lästigen Gegenverkehr auf den zum Teil sehr schmalen Bergpfaden und in den wenigen Kletterpassagen. Egal auf welche der Routen die Entscheidung fällt, das Erlebnis auf dem Gipfel ist das gleiche, es gibt nur einen Uhuru Peak!
Bei allen Routen sollte der Abenteurer dem Berg den notwendigen Respekt zollen. Er sieht vielleicht einfach und unscheinbar aus, aber auch die vermeintlich einfache Marangu Route führt dich in einem endlos scheinenden Trip durch die Nacht über eine Geröllpiste zum Kraterrand. Die unberechenbaren Wetterbedingungen sind natürlich auch für alle Routen gleich. Wir trafen bei Sonnenaufgang am Gipfel Menschen, die zuvor aus allen Himmelsrichtungen mit dem gleichen Ziel gestartet waren. Alle waren mehr oder weniger kaputt vom nächtlichen Aufstieg, aber jedem war der Stolz buchstäblich ins Gesicht geschrieben!
Fünf Tage – Fünf Klimazonen
Die Kunst am Morgen, sich für die bevorstehende Etappe zweckmäßig zu rüsten, besteht darin, die richtige Kleidung für die jeweilige Klimazone auszuwählen. Es empfiehlt sich immer etwas dünnere Kleidung zu tragen als für die Temperatur eigentlich notwendig wäre, das kannte ich auch schon vom Laufen. Denn schon nach wenigen hundert Metern, wenn die Körpertemperatur proportional zur Belastung steigt, wirst du sonst ins Schwitzen kommen. Du brauchst luftige Kleidung, Sonnencreme, Sonnenhut und Sonnenbrille für die extremen Temperaturen am Tag und viele dünne, atmungsaktive Zwiebelschichten für die Etappen in den kälteren Zonen, dann wirst du keine Probleme haben. Wie gesagt, meistens ist weniger mehr. Eine moderne, atmungsaktive Wind- und Regenjacke gehört neben der »Allzweckwaffe « Fleece-Pullover in jeden Tagesrucksack. Manchmal regnet es tatsächlich und für die Gipfelnacht ist eine zusätzliche winddichte Schicht unabdingbar.
Alpine Wüste
Aus den Wolken lugt der Mt. Meru, wenn Du hier angelangt bist, fehlen 'nur' noch 1.200 Höhenmeter zum Uhuru Peak.
Uhuru Peak »Am Ziel der Träume angelangt«
Von den 50 Menschen, die in dieser Nacht vom Barafu-Camp auf 4.600 Meter zu ihrem persönlichen Triumphzug aufgebrochen sind, mussten sich 15 dem Berg und den Wetterbedingungen geschlagen geben. Die meisten davon hatten danach auch keine zweite Chance, da weder Kraft noch Wille ausreichte einen weiteren Anlauf zu riskieren. Ich mobilisierte, wie auch im Marathon, meine letzten Reserven und kam nach sechs Stunden über einen letzten Geröllhang völlig entkräftet, aber glücklich zum Kraterrand auf 5.756 Meter, dem sogenannten Stella Point. Jetzt war es nicht mehr weit. Ziel fast erreicht. Die Temperaturen lagen mittlerweile bei über 20 Grad Minus. Ich schwitzte trotzdem vom langsamen aber stetigen Aufsteigen. Sobald ich stehen blieb, fing ich an zu frieren, mein Schweiß erstarrte in Minuten zu Eis, aber dann sah ich die die Sonne hinter dem Mawenzi aufgehen und etwas Phantastisches passierte mit mir:
»Langsam ging die Sonne auf und das Leben floss in meinen Körper zurück«
Ich hatte ganz vergessen, welche Urkraft Sonnenstrahlen haben können und wie sie jede einzelne Faser meines Körpers wieder zum Leben erwecken können. Die Sonne inszenierte an diesem Morgen, hoch über den Wolken von Afrika, ein einmaliges Naturschauspiel, das mir in diesem Moment durch das simple Betrachten und das Verweilen am Kraterrand eine unendliche Befriedigung verlieh. Ich verlor das große Ziel für einen Moment aus den Augen, ließ mich fallen, hörte das Rauschen des Windes, genoss den Augenblick. »Danke«, es war, als als wollte mich der Berg, genau jetzt für die Strapazen ein wenig entschädigen und wieder aufpäppeln für die letzten Meter zum Uhuru Peak. Ein paar Menschen sind auf der Strecke geblieben. Ein paar Menschen hatten nicht die Kraft, über die Grenzen zu gehen. Diese Menschen haben aber, obwohl sie den Gipfel nicht ganz geschafft haben, Großes geleistet. Sie sind bis auf 5.000 Meter aufgestiegen, eine Höhe, die die meisten anderen Menschen auf unserer Erde nie erreichen werden.
Land und Leute
Am Fuße des Kilimanjaro leben etwa eine Million Menschen. Die meisten von ihnen in sehr ärmlichen Verhältnissen. Ihr Geld verdienen viele als Tagelöhner in der Landwirtschaft. Andere versuchen als »Händler« über die Runden zu kommen. Von diesen Menschen war so gut wie keiner am Gipfel. Ihnen fehlt es einfach an der notwendigen Ausrüstung, ein solches Wagnis einzugehen. Viele jüngere träumen davon, einmal den Schnee auf dem Dach Afrikas aus der Nähe zu sehen. Die Einheimischen haben Respekt vor »ihrem« Berg. In einem alten Volkslied in Swahili Sprache, dem Kilimanjaro-Lied, wird das Spannungsfeld zum endlosen Berg besungen. Respekt, Angst aber auch Stolz prägen das Verhältnis der Menschen zum Berg.
:Kili:Marathon - alleine im schwarzen Feld...
Ambitionierte Streckenführung! Die Strecke ging vom Stadion in Moshi erst einmal 10,5 km bergauf in Richtung Mweka, einen Ort den ich noch gut in Erinnerung hatte. Hier fand schließlich der krönende Abschluss unserer Sieben-Tages-tour zum Uhuru Peak statt. Die Streckenführung ist hart, daher sollte der Lauf nur von erfahrenen Läufern absolviert werden. Am Ende waren es dann 500 aufaddierte Höhenmeter, bei ziemlich tropischen Bedingungen, trotz des sehr frühen Starts. Dennoch war es für mich ein unbeschreibliches Gefühl, mit 1.500 dunkelhäutigen Afrikanern gemeinsam an den Start zu gehen, neben ihnen zu laufen und den Kilimanjaro als Etappenziel vor Augen zu haben. Das Beste war aber, einmal vor vielen Schwarzen ins Ziel zu kommen und als auffälliger Weißer im Mittelpunkt des Interesses der Zuschauer zu stehen. »Schöne, verkehrte Welt«